Slow Sex: Mein Liebesleben hat diese Sex-Technik komplett verändert

Alle reden von Slow Sex! Aber was verbirgt sich dahinter? MAÉHA hat es ausprobiert und wird in diesem Artikel erzählen, was er bei ihr bewirkt hat.

Was ist Slow Sex?

Zu Beginn mag Slow Sex vielleicht wenig aufregend klingen und anfangs abschreckend wirken. Schließlich betrachten viele von uns erfolgreichen Sex als leidenschaftlich und wild. Dieses Verständnis und diese Erwartungen haben sich im Laufe der Zeit in unser Sexualleben eingeschlichen, unabhängig von unserer tatsächlichen körperlichen Erfahrung. Interessanterweise berichten die meisten Menschen, die sich in meinem Coaching befinden, von einem Gefühl der körperlichen Unzufriedenheit, einem erheblichen Leistungsdruck und oft sogar einem Verlust des sexuellen Verlangens.

Wenn du frisch verliebt bist oder erst in den ersten Jahren einer Beziehung steckst, ist die Lust auf deinen Partner oder deine Partnerin vermutlich immer noch vorhanden. In dieser Phase einer Beziehung geht es darum, die Liebe und Aufmerksamkeit deines Partners zu gewinnen. In dieser Zeit steht das höhere Ziel im Vordergrund, den anderen durch sexuelles Verlangen zu gewinnen. In dieser Phase merkst du gar nicht, ob du den Sex wirklich willst und gut findest. Die Motivation ist in dieser Phase sehr hoch.

„Slow Sex“ klingt schon irgendwie ruhig und unspektakulär. Vielleicht denkt du an Kuscheln und Missionarsstellung. Trotzdem lässt sich allein aus dem Begriff erahnen, dass dahinter etwas Besonderes steckt: ein bewusster Umgang mit Sexualität, tiefgehende Verbundenheit und echte Nähe.

Dennoch reicht diese Vorstellung oft nicht aus, um Slow Sex als attraktiv zu empfinden. In einer Zeit, in der „Fifty Shades of Grey“, Erotikpartys und der Konsum von Pornografie den Standard setzen, wird Sexualität oft mit Härte, Schnelligkeit und Wildheit assoziiert.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Freundinnen über Slow Sex. Sie meinten, sie würden lieber „richtig rangenommen“ werden. Doch als ich nachhakte, ob sie in ihren Beziehungen tatsächlich intensiven Sex erleben, verneinten sie es. In meiner eigenen Vorstellung bevorzugte ich ebenfalls die Vorstellung von leidenschaftlichem Sex. Doch in der Realität fühlte es sich oft anders an.

Für meinen Körper war das, was ich bei schnellem und leidenschaftlichem Sex erlebte, nicht wirklich überzeugend. Anfangs konnte ich nicht genau sagen, warum das so war. Erst nach vielen Experimenten und sorgfältiger Beobachtung meines Körpers konnte ich die Gründe verstehen. Jetzt kann ich mit Überzeugung sagen, dass Slow Sex zu den entscheidenden Faktoren meiner sexuellen Entwicklung gehört.

Slow Sex beschäftigt sich mit einer nachhaltigeren Form der Sexualität, die langfristig erfüllend ist, selbst wenn die Partnerschaft bereits gefestigt ist. Diese Form der Sexualität ist tief befriedigend und schafft eine innere Ruhe während des Liebesspiels. Die Empfindungen im Körper werden dadurch intensiver wahrgenommen, und es entsteht eine wunderbare emotionale Verbundenheit, die in einer ekstatischen Verschmelzung gipfeln kann – und das alles ohne den Stress oder das mechanische Herangehen an den Partner oder die Partnerin.

Wie funktioniert Slow Sex?

Die Begrifflichkeit „Slow Sex“, die eine entschleunigte Herangehensweise an die Sexualität mit einer tantrischen Ausrichtung beschreibt, wurde geprägt von Diana Richardson, einer renommierten Körpertherapeutin und Tantra-Lehrerin. In ihrem inspirierenden Werk „Slow Sex“ vermittelt sie auf faszinierende Weise, wie man die Hektik und den Druck in Bezug auf sexuelle Begegnungen loslassen kann.

Als ich begann, meine eigene sexuelle Reise zu erkunden und zu verändern, stieß ich auf Diana Richardsons Bücher. Dabei hatte ich das Glück, einen Partner an meiner Seite zu haben, der bereit war, sich gemeinsam mit mir auf diese sinnliche Reise einzulassen – und zwar ohne Zeitdruck und voller Hingabe.

Die Grundidee von Slow Sex besteht darin, den Orgasmus nicht mehr als alleiniges Ziel zu betrachten und vorerst beiseite zu legen. Für Männer bedeutet dies, die Ejakulation nicht mehr als primäres Ziel anzusehen, während Frauen auf zielgerichtete, klitorale Orgasmen vorerst verzichten. Dieser Ansatz mag anfangs für Menschen mit einer herkömmlichen sexuellen Prägung herausfordernd oder gar zu spirituell erscheinen. Doch für mich stand immer meine individuelle Körpererfahrung im Mittelpunkt. Und ich kann mit Überzeugung sagen, dass diese Methode tatsächlich funktioniert.

Der Druck, Erwartungen und die Angst vor Versagen können beim Slow Sex allmählich schwinden. Dies geschieht durch die bewusste Fokussierung auf das Hier und Jetzt, die tiefe Atmung und das innige Loslassen. Es gelingt, den gegenwärtigen Moment in seiner ganzen Pracht zu genießen, ohne sich von äußeren Erwartungen beeinträchtigen zu lassen.

Bewusstes Atmen ist ein Schlüsselaspekt, um das sexuelle Erleben zu intensivieren. Wenn wir die Luft anhalten oder nur flach atmen, reduzieren wir unser Lustempfinden erheblich. Daher ist achtsamer Sex eng mit der bewussten Aktivierung unserer Atmung verbunden.

Eine weitere essenzielle Komponente des Slow Sex ist die Verlangsamung. In langjährigen Beziehungen neigen wir oft dazu, einen Standardablauf zu praktizieren. Doch indem wir unsere Bewegungen verlangsamen, betreten wir eine ganz neue Dimension der Sinnlichkeit. Durch die bewusste Verlangsamung nehmen wir alles intensiver wahr. Unsere Tiefensensorik wird aktiviert, und unser Gehirn erhält ausreichend Zeit, die sinnlichen Impulse zu interpretieren und zu intensivieren. Es ist faszinierend zu erkennen, dass Leidenschaft nicht immer mit festem Zupacken einhergehen muss. Es lohnt sich, einfach einmal langsam zu küssen, die Atmung bewusst zu vertiefen und nicht zu beschleunigen, sanft zu streicheln oder langsam anzupacken, um zu beobachten, welche aufregenden Veränderungen sich ergeben.

Entspannung spielt eine zentrale Rolle im Slow Sex. Auf der ersten Ebene bedeutet dies, sämtliche Muskeln bewusst loszulassen. Doch die wahre Entspannung geht über das rein Körperliche hinaus und entsteht durch Sicherheit und Vertrauen. In meiner persönlichen Reise habe ich ein ganzes Jahr damit verbracht, meinen Körper beim Sex aufmerksam zu beobachten und jede aufkommende Anspannung umgehend freizugeben. Es ist erstaunlich, wie viele Bereiche unseres Körpers wir in „Erregung“ unbewusst anspannen, angefangen bei Zunge und Kiefer über Augen, Hals, Zwerchfell, Bauch bis hin zu den Zehen und vielen weiteren. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist auch, den Beckenboden während des Sex anzuspannen, um das Lustempfinden zu steigern. In meiner Erfahrung hat ein entspannter Beckenboden, vorausgesetzt er ist gesund und trainiert, jedoch weitaus mehr geholfen als ein angespannter. Die Entspannung fördert die Durchblutung und erweitert somit das Spektrum unserer Empfindungen.

Klassische Sexstellungen, die Entspannung begünstigen, sind im Slow Sex sehr zu empfehlen. Es ist wichtig, sich von der Sorge zu befreien, langweilig zu sein. Die Missionarsstellung beispielsweise ermöglicht intensiven körperlichen und Augenkontakt, was das gemeinsame Erleben in ungeahnter Weise intensivieren kann. Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, was in einem bestimmten Porno gesehen wurde, sollten wir uns auf das konzentrieren, was wir in diesem Moment spüren und erleben.

Wie habe ich Slow Sex umgesetzt?

Eines Tages entschied ich mich, meine herkömmliche Sexualität aufzugeben und mich auf eine neue, sinnlichere Ära einzulassen. Von diesem Zeitpunkt an folgte ich strikt den Prinzipien des Slow Sex – und das fast ein ganzes Jahr lang. Dieser Schritt war entscheidend, denn er ermöglichte es meinem Körper, sich von der bisherigen Fixierung auf den Orgasmus zu erholen und eine neue Welt der Empfindungen zu erkunden.

Slow Sex bedeutet, nicht länger auf das Ziel des „Orgasmus“ hinzuarbeiten. Ich entschied mich bewusst gegen jeglichen Leistungsdruck und stattdessen für die Wiederentdeckung des reinen Spürens. Mein Ansatz war, meinen Körper entspannt wahrzunehmen, ihn bedingungslos anzunehmen und ohne Erwartungen zu genießen. Das bedeutete, einfach loszulassen, zu akzeptieren, was geschieht, und nichts zu erwarten. Aus dieser inneren Ruhe und Gelassenheit heraus entstand etwas Wunderbares.

Während des Liebesspiels ließ ich sämtliche schauspielerischen Einlagen hinter mir, achtete genau auf Anspannungen in meinem Körper und konzentrierte mich darauf, meine Muskulatur zu lockern. Wenn mein Partner zu schnell wurde, bat ich ihn einfach, sich langsamer zu bewegen, da ich sonst keine Empfindungen mehr spüren konnte. Glücklicherweise hatte mein Partner daran auch Freude und begleitete mich in diesem Prozess – und das über Stunden hinweg.

Wenn mehr Männer sich auf diese Erfahrung einlassen und mehr Frauen auf sich selbst achten und diese Langsamkeit einfordern würden, könnten wir bald viel glücklichere und erfülltere sexuelle Begegnungen erleben.

Wie fühlt sich Slow Sex an?

Die Veränderungen in meiner Wahrnehmung waren sofort spürbar. Mein Körpergefühl veränderte sich unmittelbar. Durch die Entspannung von Körper und Geist konnte ich mich bedingungslos auf die Empfindungen in meinem Körper konzentrieren und diese viel intensiver wahrnehmen. Wenn ich nichts spürte, gab ich nicht vor, Lust zu empfinden, nur um meinen Partner zufriedenzustellen. Stattdessen spiegelte ich die tatsächliche Stille und Gelassenheit.

Besonders eindrucksvoll war der Moment, als in meinem Beckenboden eine Art „Flamme“ zu brennen begann. Anfangs war dieses Gefühl sehr sanft, und ich hätte es leicht überhören können, wenn ich zu hektisch geworden wäre. Es war leise, fast wie ein Opernbesuch nach einem lauten Rockkonzert, wenn man sich fragt, wo der Verstärker geblieben ist. Der herkömmliche Verstärker, den wir in der konventionellen Sexualität nutzen – Bewegung, schneller Atem, muskuläre Anspannung, sexuelle Bilder und mechanisches Reiben – stumpft auf lange Sicht unsere Sinne ab und verhindert echten sexuellen Energieaufbau.

Slow Sex hingegen nutzt das Bewusstsein als sinnlichen Verstärker. Das konnte ich deutlich erleben. Anfangs war das Gefühl schwach, aber indem ich ihm meine volle Aufmerksamkeit schenkte, wurde es immer intensiver und mächtiger. Ich legte alles daran, die Energie nicht durch Muskelanspannung zu unterdrücken. Durch die Konzentration auf einen entspannten Körper und Geist schuf ich Raum für die Energie, sich auszubreiten. Dadurch entstand eine Ekstase, die sich über meinen gesamten Körper ausbreitete und schließlich ins Unendliche ausdehnte.

Nun habe ich immer Zugang zu diesen ekstatischen Zuständen und kann sie leicht herbeiführen, indem ich meine Aufmerksamkeit auf meinen Körper lenke. Dies war nur möglich, weil ich den Weg der Langsamkeit gewählt habe. Die Verlangsamung ermöglichte es meinem Gehirn, Sinneseindrücke gründlich zu verarbeiten und bislang nicht erfasste Bereiche meines Körpers intensiv wahrzunehmen.

Muss Sex immer langsam sein? Nein! Die gute Nachricht ist, dass ich nach acht oder neun Monaten wesentlich empfindsamer geworden war und die Prinzipien der Entspannung verinnerlicht hatte. So konnte ich plötzlich auch bei schnellem und leidenschaftlichem Sex entspannt und offen bleiben.

Was macht Slow Sex so wirkungsvoll?

Achtsame und bewusste Sexualität ist zweifellos eine anspruchsvolle Kunst, die Zeit und Übung erfordert. Es ist jedoch von großer Bedeutung, nicht zu zögern und heute damit zu beginnen, anstatt es auf morgen zu verschieben. Die Gründe dafür sind vielfältig und hängen mit der Tatsache zusammen, dass unser Verhalten und unsere Gewohnheiten uns im Laufe der Zeit prägen.

Jeder Tag, an dem wir uns in einer Art und Weise verhalten, die nicht auf Achtsamkeit und bewusste Intimität ausgerichtet ist, hinterlässt seine Spuren. Es wird zunehmend schwieriger, diese tief verankerten Muster zu durchbrechen und zu einer achtsamen Sexualität zurückzukehren, die wirklich nachhaltige Freude in unseren Beziehungen oder Begegnungen schafft.

Es ist wichtig zu verstehen, dass unsere Erfahrungen im Bereich der Sexualität und Intimität nicht nur unser eigenes Wohlbefinden, sondern auch das unserer Partner:innen maßgeblich beeinflussen. Wenn wir uns für eine achtsame Herangehensweise entscheiden, können wir eine tiefe Verbindung und Freude in unseren Beziehungen erleben, die weit über oberflächliche sexuelle Erfahrungen hinausgeht. Darüber hinaus können wir unsere eigene sexuelle Identität erkunden und weiterentwickeln, was zu einer erfüllteren und bereichernden Sexualität führt.

Die Zeit ist reif, um die Schönheit der achtsamen Sexualität zu entdecken und sie in unser Leben zu integrieren. Es ist nie zu spät, um zu beginnen und die Vorteile einer bewussten Intimität zu genießen, die unser Leben auf positive Weise bereichert und uns und unseren Partner:innen wahre Freude schenkt.

Mein besonderer Dank für das Erlernen von Slow Sex gilt Diana Richardson.

Alle ihre Bücher sind sehr lesenswert.